Sonntag, 25. November 2018

Im Zug durch China

Die chinesische Grenzstadt Manzhouli präsentierte sich sauber, mit neuzeitlichen Gebäuden (alle im Zentrum stehenden Häuser bei Nacht beleuchtet)
und einem kleinen See, der bei unserer Ankunft mit einer dicken Eisschicht bedeckt war, was den Leuten erlaubte, darauf zu spazieren oder zu fischen. Unweit des Sees, endet die Stadt ganz abrubt.
Dutzend neue, meist leerstehende, mehrstöckige Wohnblocks grenzen an die karge Landschaft der Innermongolei. Nichts von wegen einer Stadt, die langsam in die Agglomeration übergeht. Nein - einfach Hochhäuser und dann Knall auf Fall - nichts.
Es heisst China baut gerne, egal ob eine Nachfrage besteht oder nicht. Korruption sei Dank. Sehr kostengünstig kann man zur Zeit in Manzhouli Wohnungen und Häuser kaufen. Man sollte aber wissen, dass man Land nicht erwerben kann, dies gehört dem Staat. Jaja der Chinesische Staat. Dem gehört hier wohl alles. Die Meinung der Leute, die Daten im Internet, das Recht Tibet zu helfen (wie man hier sagt) und ganz Taiwan sowieso.

Die Regierug ist eines, das Volk etwas Anderes. Wir erleben hier sehr hilfsbereite und freundliche Menschen. Ihr Verhalten ist für uns zwar nicht immer nachvollziehbar und sie mögen den Menschen von ausserhalb Chinas, als unanständig erscheinen. Diese 'Unhöflichkeit' ist aber nicht unhöflich gemeint, sondern ganz normales Verhalten hier. Mit diesem Wissen ertrage ich nicht nur ihr Spucken, Schlürfen, Rülpsen oder die Angewohnheit anderen Passagieren in der Metro ins Handy zu gaffen (nachdem man beim Einsteigen den aussteigenden Fahrgästen im Weg gestanden ist), ohne Kopfhörer Musik hören/Filme schauen, Ausländer anstarren oder von ihnen ungefragt Videos und Fotos machen - ganz im Gegenteil, ich finde das meistens sehr amüsant und benehme mich manchmal ebenfalls 'chinesisch'. Ich seh das Ganze mehr als eine Komödie, und ich bin mitten drin.
Sehr schön finde ich das ungehemmte Verhalten wenn es dazu führt, dass Spaziergänger singen oder in den unzähligen Parks Leute auf ihren Instrumenten üben, tanzen, Gymnastik vollbringen oder Karaoke singen. Ich finde die Menschen hier super! Was ich hier doch etwas vermisse, ist der angenehme Zustand, den wir in den Nachtzügen durch Russland genossen.
In den Betten der Chinesischen Bahn hat man mehr Platz, doch wird zwischen den Wagons regelmässig geraucht und die Türen zum Schlafwagen offen gelassen. Die Leute nehmen weniger Rücksicht auf schlafende Passagiere, Kopfhörer scheinen auch hier nicht für notwendig befunden.
Als Alternative gibt es auf vielen der Strecken zwischen den Grossstädten Schnellzüge. Diese sind bis zu drei Mal schneller am Ziel, kosten aber auch bis doppelt so viel. Ausser die über 1'200 km lange Strecke von Harbin nach Peking kostete im Schnellzug (um die 8 Stunden, CHF 45.-) weniger als der Nachtzug (CHF 50.-), der über 20 Stunden unterwegs ist (für CHF 41.- gäbe es ein Zug der um die 10 Stunden benötigt).
Die Schnellzüge sind sehr modern, sauber, es herrscht Rauchverbot und sie fahren mit bis zu 350 km/h über's Land. Diese Züge unterteilen sich in 'D' oder 'Z' Züge. 'D' ist der Schnellere, 'Z' der etwas Langsamere.
Von Manzhouli buchten wir den Nachtzug (keine Schnellzüge auf dieser Strecke) nach Harbin.
Harbin hat einen sehr europäischen Stadtteil und eine Russisch-Orthodoxe Kirche, die noch von der Zeit zeugt, als Russland diesen Ort aufbaute, während dem sie die Transmandschurische Eisenbahnlinie durch China baute.
Heutzutage ist Harbin auch berühmt für sein grandioses Eis- und Schneeskulpturen Festival. Die Temperaturen waren schon in den einstelligen Minusbereichen, doch für diesen Event waren wir zu früh unterwegs.

'In die Wärme soll es gehn', sagten wir uns und stiegen nach drei Tagen in den Schnellzug nach Peking.
Ein Besuch der 'verbotenen Stadt' und der 'grossen Mauer' stand auf dem Programm. Trotz extrem grossem Menschenandrang, gab es Orte in der verbotenen Stadt, in denen wir beinahe die einzigen Besucher ausmachten.
Vermutlich weil Nebensaison war, falls es dort so etwas überhaupt gibt. So eine Art von Nebensaison, muss wohl auch bei der Chinesischen Mauer geherrscht haben. Genauer gesagt beim Streckenabschnitt bei Badaling. Zwar standen auch hier unzählige Leute vor den Eingangstüren, doch schien sich die grosse Mehrzahl für den nördlichen Abschnitt zu interessieren, was es uns leicht machte, uns für das Begehen des südlichen Teils zu entscheiden. Beide Sehenswürdigkeiten lohnen sich zu sehen. Muss man sich für Eine entscheiden, ich würde klar die Chinesische Mauer auswählen.
Sehr faszinierend, dieses tausende von Kilometern durch die Landschaft schlängelnde, von Menschenhand geschaffene, Mauerwerk zu sehen, vorzustellen versuchend, wie das damals beim Bau zu und her ging oder wie Menschen darauf die Zeit verbrachten, ausschau haltend nach Feinden.

Peking war schon einige Grade wärmer als Harbin. Doch im südlich gelegenen Shanghai sollten uns (nach über 1'000 km und 5 Stunden im Schnellzug) angenehme 18 Grad erwarten.
Hier musste die Skyline dieser Metropole, und der einige Kilometer ausserhalb gelegene antike Ort Zhujiajiao, vor die Kameralinse genommen werden. Bei Zhujiajiao (auch als kleines Venedig Shanghais genannt) verbinden  diverse, steinerne Brücken über engen Flüsschen die verwinkelten Gässchen dieser Ortschaft miteinander. Seit kurzem ist dieser touristische Ort an das Metro-Netz Shanghais angeschlossen (Linie 17).

Unser nächster Halt: Changsha (Nachtzug 10-15 Stunden, $40, Schnellzug 4.5 Stunden, $70). Wir wählten den Nachtzug, 15 Stunden Fahrt.